Author(s):
Herms, Eilert
[English Version] . Summarisch können unter S. alle Erscheinungen einer geregelten, agonalen motorischen Interaktion verstanden werden, die unter dem Vorzeichen des Spielerischen (Spiel) steht und als solche der leibhaften Selbsterfahrung (Können, Körperbeherrschung, Leistung [: II.; Wettkampf], Spaß) und dem leibhaften Ausdruck des Selbstgefühls (Selbst) der Beteiligten dient. – Derartige Phänomene finden sich zu allen Zeiten in allen Kulturen, freilich mit schwankender Öffentlichkeitsrelevanz. Diese war in der vorchristl. Antike (klassische olympische Spiele von 776 v.Chr. bis 393 n.Chr. [Olympia]) hoch, unter der Vorherrschaft des Christentums geringer (abgelehnt als Teil des heidnischen Kultus, aber geschätzt als Teil der Leibesertüchtigung und der höfischen Kultur) und nahm seit dem frühen 19.Jh. in allen eur. Ländern wiederum stetig zu, sei es im Zusammenhang päd. Programme (Neuhumanismus, Gymnastik als Teil einer ganzheitlichen Bildung [s.a. Gymnasium]), sei es als Instrument der Selbstartikulation gesellschaftlicher Gruppen oder Bewegungen (Jugendbewegung, Turnen als Teil der nationalen Bewegung, bürgerliche Sportvereine, Arbeitersportverein etc.). In der von Pierre de Coubertin (1863–1937) inaugurierten modernen olympischen Bewegung (seit 1896) konvergieren die volkspäd. und das polit. Ziel, den Mitgliedern der nachrevolutionären Gesellschaft ein Medium der Identitätskommunikation zu bieten. In dieser Funktion als Identifikationsmotor ist der S. im 20.Jh. nicht nur von den totalitären Regimen, sondern ebenso in den wirtschaftsdominierten westlichen Gesellschaften gezielt gepflegt und eingesetzt worden, und zwar überwiegend nicht als betriebener, sondern als in Großveranstaltungen inszenierter und medial präsentierter Schausport. Zu seiner Pflege wirken zus.: seine Sponsoren und Benutzer aus Politik und Wirtschaft, seine Kommunikatoren in den Medien und seine Sachwalter in den Sportorganisationen, dies sind: Internationales Olympisches Komitee (IOC) und seine Mitglieder, die nationalen Olympischen Komitees, die nationalen Dachverbände des organisierten S. (in Deutschland der 1950 gegründete Dt. Sportbund [DSB] mit den Landessportbünden als seinen Gliedern, deren Mitglieder wiederum die Sportvereine sind, und daneben die sportartspezifischen Fachverbände). Finanzkraft und Einfluß von Fachverbänden und Vereinen steigen mit zunehmendem Anteil und Gewinn aus Großveranstaltungen mit hohen Teilnehmer- bzw. Zuschauerzahlen. Die Masse der Vereine ist weiterhin der Ort für sportliche Betätigung als private Liebhaberei, Freizeitgestaltung (Freizeit) oder auch Bestandteil einer syst. Gesundheitspflege. Letztere wird zunehmend auch von einem marktförmigen Angebot kommerzieller Anbieter (Fitneß-Studios) bedient. Der als Hobby betriebene Vereinssport gerät u.U. in die Defensive zw. diesem privatisierten und jenem zur Schau gebotenen inszenierten S., die beide die zunehmende Ökonomisierung und Professionalisierung des S. manifestieren (Verzicht auf das Amateurgebot durch das IOC 1981). – Neben diesem frei betriebenen S. existiert – in Fortsetzung der Sportpäd. des 19.Jh. – der staatl. verordnete S. als ordentliches Fach der öfftl. Schule und als Element der militärischen Ausbildung. – In soziologischer Hinsicht muß dem Sportbetrieb in hochentwickelten offenen Gesellschaften eine bedeutende Rolle im sozialen Funktionssystem Lebenssinnkommunikation zugesprochen werden, neben und zugleich mit dem Kunstbetrieb (Lit., Musik, Theater, Museen etc.) und der Lebenssinnkommunikation in Kirchen und Religionsgemeinschaften. Das sichert dem S. die Aufmerksamkeit der Politik, bis hin zu Erwägungen der Aufnahme des S. in die Verfassung. – Strittig ist die Frage, ob durch den S. ein eigenes Lebensverständnis und Ethos kommuniziert wird oder ob er eher ein erlebnisstarkes und daher tiefwirkendes Medium für die Kommunikation des Ethos seiner »Benutzer« ist (der griech. Poliskultur, der höfischen Kultur, des engl. Adels, des Bürgertums, der Arbeiterbewegung, auch des Christentums etc.). Sicher ist jedenfalls, daß der Status des S. – und zwar gerade des inszenierten – als Sympathieträger mit der Einhaltung der formalen Regel der Fairneß steht und fällt, daher einstweilen der Widerstand gegen Doping. – Beziehungen zw. S. und Kirchen gibt es auf der Ebene der Verbände (Arbeitskreis[e] Kirche und S.), im Bereich der ethischen Programmatik (Erklärungen und Denkschriften) und im Bereich der Schule (zw. den Fächern S. und Rel.). Ob und wie auf lokaler Ebene S. in Maßnahmen des Gemeindeaufbaus einbezogen werden kann, ist eine…