Author(s):
Großhans, Hans-Peter
[English Version] (griech. ο᾿ρϑο´της/orthótēs; lat. rectitudo). Plato verwendet ο᾿ρϑο´της im Sinne von R. in epistemologischer (vgl. rep. 515 d), sprachphilos. (vgl. Kratylos, 384 b–d) und ethischer (vgl. Gorg. 506 d) Bedeutung. – Anselm von Canterbury hat der R. eine fundamentale Rolle eingeräumt, indem er Wahrheit und Gerechtigkeit durch den gemeinsamen Oberbegriff der rectitudo bestimmt. So definiert Anselm Wahrheit als »mit dem Geist allein erfaßbare R.« (veritas est rectitudo mente sola perceptibilis – vgl. De veritate, Kap.11). Anselms Rede von R. setzt die Idee einer Gesamtordnung voraus, in der richtig ist, was in Entsprechung zur mit Gott identischen höchsten Wahrheit ist und geschieht. – In der neuzeitlichen Philos. wird Anselms Begriff der R. durch den Wahrheitsbegriff ersetzt, während R. nur das korrespondenztheoretisch verstandene Erkennen qualifiziert. So bez. R. bei G.W. F. Hegel nur noch die »formelle Uebereinstimmung unserer Vorstellung mit ihrem Inhalt« (372). Nach M. Heidegger beschreibt Plato im »Höhlengleichnis« der »Politeia« eine für das weitere abendländische Denken maßgebend gewordene Wandlung des Wesens der Wahrheit, durch den diese von der Unverborgenheit als einem Grundzug des Seienden zur R. des Erkennens und Aussagens wird. Für L. Wittgenstein entscheidet sich die Frage der R. an der Übereinstimmung innerhalb einer Sprach- und Lebensgemeinschaft (vgl. § 241). Diese intersubjektive Orientierung des Begriff der R. hat Jürgen Habermas in seiner Kommunikationstheorie aufgenommen. R. bez. einen von mindestens drei Geltungsansprüchen, die ein Individuum mit jeder Äußerung erhebt: »Der Sprecher beansprucht … R. für legitim geregelte Handlungen und deren normativen Kontext« (149). – In der relativistischen Philos. Nelson Goodmans tritt R. ganz an die Stelle des Wahrheitsbegriffs. Nach Goodman kann R. auch von nicht wahrheitsfähigen Äußerungen oder von Handlungen und Verhalten behauptet werden. Wenn wir sagen, etwas sei richtig, so bedeutet dies, …