Author(s):
Angehrn, Emil
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Danz, Christian
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Herms, Eilert
[English Version]
I. Philosophisch Von S. (griech. συ´στημα/sýstēma, »Zusammenstellung«) als einem strukturierten Ganzen, das aus Teilen zusammengesetzt ist, ist einerseits mit Bezug auf die Wirklichkeit, andererseits mit Bezug auf die Wissenschaft bzw. die Philosophie selbst die Rede. Im objektiven Sinn wird die Idee eines geordneten Zusammenhangs im antiken Denken für unterschiedliche Bereiche (Kosmos [Welt: II.], Organismus, Medizin, Musik, Ethik, Politik) geltend gemacht. Im methodischen Sinn wird der Begriff für das Philosophieverständnis der Neuzeit wichtig, wobei namentlich zwei Leitideen bestimmend sind: Begründetheit und Geordnetheit. Paradigmatisch ausgeführt ist die erste – wenn auch nicht explizit unter dem Begriff des S. – in R. Descartes' »Meditationes« oder in B. de Spinozas »Ethik«; terminologisch zentral wird der Begriff bei Autoren wie G.W. Leibniz, N. Malebranche, Ch. Wolff und Johann Heinrich Lambert. Die komplementäre Leitidee der »architektonischen« Geordnetheit findet ihren klassischen Ausdruck bei I. Kant, der »unter einem S. die Einheit der mannigfaltigen Erkenntnisse unter einer Idee [versteht]. Diese ist der Vernunftbegriff von der Form eines Ganzen, sofern durch denselben der Umfang des Mannigfaltigen sowohl als die Stelle der Teile untereinander a priori bestimmt wird« (KrV 538f.). Die Definition vereinigt die beiden auch für die weitere Diskussion entscheidenden Momente der syst. Gliederung (im Gegensatz zum zufälligen Aggregat) und des Ausgriffs auf das Ganze (im Gegensatz zum Fragmentarisch-Partiellen). Solche Systematizität gehört nach Kant zum Wesen menschlicher Vernunft und definiert eine notwendige Stoßrichtung unseres Erkennens. Doch ist sie nicht in gleicher Weise als Merkmal des Gegenstandes gegeben, da keine Erfahrung vom Ganzen der Welt möglich ist. Das Ungenügen an dieser Kluft ist ein Ansatzpunkt für den dt. Idealismus (G.W. F. Hegel, F.W. J. Schelling), der nicht nur den Systemcharakter der Philos. unterstreicht, sondern die Wirklichkeit im ganzen als umfassendes S. darstellen will. Hier finden die Leitideen der Gesetzmäßigkeit, Ordnung, Einheit und Totalität ihre emphatische Ausformulierung, in der sie gleichzeitig zu Angriffspunkten der Kritik am Systemdenken werde…