Author(s):
Grethlein, Christian
[English Version] Pietät, ein aus dem Lat. (pietas) stammender, sich weithin mit dem griech. ευ᾿σε´βεια/euse´beia und dem ahd.-gotischen »fruma« deckender Begriff auf der Grenze zw. Ethik und Rel., bez. eine – meist – positiv gesehene, gehorsame bzw. rücksichtsvolle Haltung zu einer Person, einem Gegenstand o. ä., heute v.a. auf das Verhältnis zu Verstorbenen reduziert. Schon im Lat. findet sich das Changieren im Bedeutungsgehalt: auf der einen Seite bez. pietas ein Verhalten im zwischenmenschlichen Bereich, bes. gegenüber den Eltern (Cic. Partitiones oratoriae, 78; De inventione, 2,66), auf der anderen das angemessene Verhältnis zu den Göttern (Cic.n.d. 1,116). Die Bedeutung dieses Konzepts in der Antike kommt darin zum Ausdruck, daß pietas personifiziert und als Gottheit verehrt werden konnte. In der christl. Liturgie setzte sich – auf dem Hintergrund des antiken Herrscherkultes – die Vorstellung einer pietas Gottes durch. Im MA wurde pietas zur Bez. kultfrommen Verhaltens (»neminem sine vera pietate, id est veri Dei vero cultu, veram posse habere virtutem«, Aug.civ. V 19,15). Sie war Bestandteil von Tugendkatalogen (Lasterkataloge/Tugendkataloge) und so erzieherisch wirksam. Ein Vergleich zu anderen Kulturen, v.a. der konfuzianischen mit ihrem Leitbegriff »hsiao« (etwa: Kindespflicht), läßt die im Christentum von Anfang an bestehenden krit. Gegenströmungen gegenüber dem Konzept P. deutlicher hervortreten. So widerspricht z.B. das Jesus-Logion von Mt 8,22 radikal traditioneller Pietätsvorstellung. Der von Jesus verkündete Einbruch der Gottesherrschaft relativiert auch die Konventionen der P., ohne jedoch diese grundlegend aufzuheben, wie die bis heute reichenden gesetzlichen Bestimmungen zum Umgang mit Toten in christl. geprägten Gesellschaften (StGB @@ 189, …