Author(s):
Lang, Bernhard
[English Version] Rätsel,
religionsgeschichtlich. Das R. gehört zu den ältesten geformten Sprechweisen der Menschheit. Die meisten R. sind verschlüsselte Beschreibungen von Personen, Dingen oder Sachverhalten. Als indirekte Mitteilungen fordern sie den Scharfsinn des Hörers oder Lesers heraus. Die Wertschätzung des R. beruht auf der Freude am spielerischen Verstecken, Suchen und Finden von Sinn, aber auch auf der Einsicht, daß es kein tieferes Wissen ohne Mühe um Erkenntnis gibt. Deshalb können auch Orakel die Form von R. haben. Die R. des AT (Ri 14,17–20) sind spielerisch, und gleiches gilt von den christl. R. der Vergangenheit (Joca monachorum, Exeter Book, Straßburger Rätselbuch, J.A. Comenius) und Gegenwart. Die existentielle Seite des R. zeigt sich im Joh-Ev. Die dort verwendete Insidersprache ist bewußt rätselhaft angelegt. Ihr Inhalt kann jedoch von den Gläubigen – nämlich den »eingeweihten« Lesern des Evangeliums – verstanden werden, verfügen diese doch über das zur Lösung nötige Wissen. Außerhalb des christl.-abendländischen Kontextes kennt z.B. das vedische Indien (Veden) innerhalb von Ritualen und Opferhymnen kosmologische Fragen in Rätselform. Auch die Dialoge der Kōans im Zen-Buddhismus (Chan-Buddhismus) mit Frage und Antwort können als R. gelten; nicht auf rationale Lösung angelegt, wollen sie die unbegreifliche Erleuchtung in verschlüsselter Form beschreiben. In der Neuzeit ist neben die Wertschätzung des R. etwa in Kunst (Joan Miró) und Lyrik (P. Celan) auch dessen Vera…