Author(s):
Kober, Michael
[English Version] . Sprachphilosophen reflektierten traditionell v.a. den Bezug von Sprache und Wirklichkeit und die Wahr- und Falschheit (Wahrheit) von Aussagen. Trotz Andeutungen bei früheren Autoren, insbes. bei G. Frege (Der Gedanke, 1918) und Adolf Reinach (Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, 1913), formulierten erst L. Wittgenstein (Philos. Untersuchungen, 1953) und John Langshaw Austin (How to Do Things with Words, 1962, dt. 1972) die Einsicht, daß Sprechen eine Form des Handelns ist: Mit »Hiermit eröffne ich die Sitzung« wird nicht ausgesagt, was ein Sprecher tut, sondern er tut es, indem er u.a. diesen Satz sagt (performative Äußerung). Austin bemerkte, daß jeglicher Sprachgebrauch eine Äußerung und damit eine Handlung ist (Performative Utterances, 1956, in: Philosophical Papers, 1961, 233–252). John Searle (Speech Acts, 1969, dt. 1971) versuchte eine Systematisierung der Sprechakttheorie: Die Äußerungen »Sam raucht«, »Raucht Sam?« und »Sam, rauch!« werden z.B. als Behauptung, Frage und Befehl (illokutionäre Akte) verstanden, die alle den propositionalen bzw. wahrheitswertfähigen Gehalt, daß Sam raucht, enthalten. Dementsprechend vollziehen Sprecher im Sprechakt (S.) ineinander verwoben einen lokutionären Akt (Bildung eines grammatisch korrekten Satzes), einen propositionalen Akt (Formulierung eines propositionalen Gehalts, in dem der Bezug zur Wirklichkeit geregelt ist), einen illokutionären Akt des Behauptens, Aufforderns, Sich-Verpflichtens u. ä. sowie einen perlokutionären Akt, mit dem beim Adressaten der Äußerung etwas erreicht werden soll (Behauptungen sollen ihn überzeugen, Aufforderungen ihn zu bestimmten Handlungen veranlassen u. ä.). In »Expression and Meaning« (1979, dt. 1982) teilte Searle die S. in fünf Typen ein: Assertiva (wahre oder falsche Behauptungen, Prognosen etc.), Direktiva (wie Fragen und Befehle, mit denen die Adressaten zu Handlungen aufgefordert werden), Kommissiva (wie Gelübde und Versprechungen, mit denen sich ein Sprecher zu Handlungen verpflichtet), Expressiva (wie »Au!« oder »Entschuldigung!«, mit denen ein Sprecher seinen psychischen Zustand ausdrückt) und Deklarativa (die ehemals performativen Äußerungen wie Urteilssprüche, Ernennungen, Definitionen, mit denen ein dazu befähigter Sprecher neue soziale Gegebenheiten etabliert). Da Kontextgegebenheiten wesentlich zur Identifikation von S. sind (»Ich komme morgen« kann das Versprechen eines Freundes oder die Drohung eines Geldeintreibers sein), kann eine Sprechakttheorie nicht allein mit sprachwiss. Kriterien arbeiten. Das gilt insbes. für indirekte S. (Searle, Expression and Meaning) oder Implikaturen (H. Paul Grice, Studies in the Way of Words, 1989), die aus Äußerungen bestehen, deren »eigentliche« Bedeutung nicht in ihrem explizierten Wortlaut gegeben ist, sondern seitens des Hörers eine Kontextkompetenz verlangt, z.B. »Könnten Sie mir das Salz reichen?« (statt: »Reichen Sie mir bitte das Salz«) oder die Antwort »Ich m…