Author(s):
Baudy, Dorothea (Konstanz)
[English version] (ἀμφιθαλεῖς παῖδες). “Ringsumblühte Kinder”,
pueri patrimi et matrimi bzw.
puellae patrimae et matrimae. Bezeichnung für Jungen und Mädchen, deren Eltern beide noch am Leben waren. Wenn Kindern eine kult. Funktion zugedacht war, wählte man sie in der Regel unter diesen aus. Beispiele sind das Zweigtragen an den Pyanopsia (Suda s. v. εἰρεσιώνη, Eiresione) oder Oschophorien (Schol. Nik. Alex. 109), das Singen von Kultliedern bei der Saecularfeier (saeculum; Act. lud. saec. Aug. CIL VI 4.2 32323 Z. 20 f.; 147 f.; Zos. 2,5,5) oder bei Supplicationen (Liv. 37,3,5 f.; Macr. Sat. 1,6,14), das Assistieren bei Priesterämtern, z. B. bei den Vestalinnen (Vesta; Tac. hist. 4,53), Flamen Dialis und Flaminica (Paul. Fest. p. 82 L.) oder den Arvales fratres (CIL VI 4.2 32362) sowie Funktionen im Hochzeitsritual (Suda, s. v. ἔφυγιν κακόν; Fest. p. 282 L.). Zur Entsprechung der griech. und röm. Institution s. Dion. Hal. ant. 2,22. Die beiden wichtigsten Gründe für diese Praxis dürften folgende sein: Erstens fügt sich diese Norm in die allg.ere ein, bei Kulthandlungen stets auf Makellosigkeit zu achten. Ein Kind, das verwaist ist (vgl. Hom. Il. 22,496 ff.), würde zwangsläufig den Ritus mit einem Problem belasten, das ihn daran hinderte, als vollkommene Präfiguration für künftige Handlungen, als glückbringendes Modell zu gelten. Zweitens unterstreicht die Existenz von Vater und Mutter den kindlichen Status des jungen Ritualteilnehmers. Dies ist von besonderer Bedeutung, sofern es sich um Initiations- bzw. Übergangsrituale von der Jugend ins Erwachsenenalter handelt (Dion. Hal. ant. 2,22 nennt u. a. Arrhephorie (Arrhephoroi) und Kanephorie (Kanephoroi)). Gerade der junge Mensch, der den Kindstatus rein und ohne Beeinträchtigung verkörpert, …