Author(s):
Podella, Thomas (Lübeck)
|
Rüpke, Jörg (Erfurt)
[English version] I. Altes Testament Ein S. im Sinne eines neben dem profanen Recht existierenden oder diesem sogar vorangehenden Rechtssystems läßt sich für das alte Israel nicht rekonstruieren. Im Zentrum der neueren Diskussion steht demgegenüber die Frage der “Theologisierung” bzw. der “Jahwesierung” des Rechts. Gemeint ist v. a. die im Buch Exodus (Ex 20,1 ff.: Dekalog und Bundesbuch) begegnende Vorstellung von dem Gott Jahwe als Gesetzgeber, der damit funktional eine im Alten Orient urspr. königliche Domäne besetzt. Mittels dieser Konstruktion wird das israelitische Recht nicht nur göttlich legitimiert, sondern auch promulgiert. Hierbei stehen sozial- und strafrechtliche Bestimmungen (z. B. 2. Tafel des Dekalogs) durchaus neben solchen, die die Ausübung des Kults und die Jahwe-Verehrung regeln (1. Tafel des Dekalogs; Altargesetz in Ex 20,22 ff.; sog. “kultischer Dekalog” in Ex 34,10-26). Das Nebeneinander rel. und profaner Rechtssätze akzentuiert dabei den Sachverhalt, daß soziales Handeln immer auch eine rel. Dimension besitzt, was im übrigen auch in der Gebetslit. der Psalmen deutlich wird. Hintergrund dieser neuartigen Rechtskonzeption sind die sozialen und polit. Krisenerfahrungen des 8. Jh. v. Chr., die dann im Buch Deuteronomium in den sog. Ämtergesetzen in die sachliche Bindung des Königs an Tora und Prophetie (Prophet) einmünden (Dt 17,14-20). Ob dieses “Rechtssystem” jemals im Sinne geltenden Rechtes praktiziert wurde oder - was wahrscheinlicher ist - als lit. produktive Rechtsgelehrsamkeit angesichts der verlorenen Eigenstaatlichkeit im 6. Jh. v. Chr. aufgefaßt werden muß, bleibt…